Eva Illouz

Eva Illouz, französisch-israelische Soziologin und Autorin wichtiger Bücher über „Liebe im Kapitalismus“, ist eine prominente jüdische Stimme, die auch im deutschen Diskurs gerne rezipiert wird. Die Zeitungen Freitag, Die Zeit, Süddeutsche Zeitung, SPIEGEL – kein Medium scheint ohne Statements von ihr zum 7. Oktober und zur Situation in Israel auszukommen. Unmittelbar nach dem 7. Oktober erklärte sie: „Der 7. Oktober machte mich jüdischer“. Im tendenziell linksliberalen Jüdischen Magazin „Aufbau“ Nr. 5/2025 verdeutlichte sie in einem Gespräch, was das bedeute: dass sie den spezifischen israelischen Gesellschaftsvertrag zwischen Bürgern und Staat, der in Israel gelte, und der das Sterben, Teil der Armee Sein, also Töten, als demokratisch ansehe und folglich affirmiere. Dabei ist sie durchaus im Sinne des liberalen Zionismus eine scharfe Kritikerin Netanjahus, scheint sich – wie das Interview endet – jedoch mehr über den (teilweise von linken Jüd*innen getragenen) Protest auf den Campus der USA gegen den Gaza-Krieg zu echauffieren, dem sie eine „abstossende Heuchelei“ attestiert. Einige Aufregung produzierte die Nachricht, dass ein linker Verlag aus Griechenland Illouz aufgrund ihrer proisraelischen Haltung als Autorin cancelte. Souverän ist das in der Tat nicht. In Deutschland jedoch ist Illouz alles andere als eine persona non grata. Nun publiziert Illouz mit altbekannten Antideutschen, oder wie die neo-rechte Gruppe sich nun nennen mag, in der Edition Tiamat, die sich unter ihrem Verleger Klaus Bittermann einem proisraelischen und antilinken Kurs verschrieben hat. Sie darf in diesem Buch zum 7. Oktober neben dem grünen Falken und Russlandbekämpfer Ralf Fücks und dem Irakkriegsfreund der jungel World von 2003, Thomas von der Osten Sacken, ihre wenig soziologisch begründeten Erkenntnisse über die Campusbewegung gegen den Krieg ausbreiten.

Bereits am 22.7.2024 kritisierte ich Illouz Position in der jungen welt in dem Themenbeitrag „Rufmord gegen Protest“:

Doch nicht nur von rechts sind (…) Verlautbarungen zu hören (wonach die studentische Bewegung gegen den israelischen Krieg antisemtisch sei, G.H.). So rief die linke Soziologin Eva Illouz den studentischen Aktivisten der Uniproteste ebenfalls zu: »Euer Hass auf Juden« mache ihr Angst, so geschehen in der Pfingstausgabe der Süddeutschen Zeitung. Die Vorwürfe der Soziologin, die sich vor allem mit ihren an der Kritischen Theorie orientierten Analysen der Liebe im modernen Kapitalismus einen Namen gemacht hat, haben es in sich, doch bei genauerer Betrachtung hinterlassen sie ein schales Gefühl. Man könnte Illouz im Geiste der alten Soziologie, die in den USA als eine Erweiterung der Sozialreportage entstand, fragen, welche empirische Wirklichkeit sie denn untersucht hat. Doch ihre Urteile gründen sich lediglich auf begrifflich-theoretischen Herleitungen. Und diese stehen auf schwachen Füßen. Sie konzediert zwar, keine Historikerin des Antisemitismus zu sein, definiere ihn aber »für mich persönlich« so, »dass Juden für das Vergießen des Blutes von Nichtjuden verantwortlich gemacht werden«. Weiter hinten im Text schickt die Soziologin hinterher, dass Juden als Entität konstruiert würden, »die Blut vergießen und Gesetze ignorieren«.

Spätestens hier wird deutlich, wie weitgehend bei Illouz tagespolitische Tatbestände ihre persönliche Antisemitismusdefinition überstrahlen und sie damit nicht nur der Antisemitismustheorie, sondern auch dem Begreifen der Gegenwart Gewalt antut. Denn es ist ja offensichtlich, dass in Gaza die israelische Armee für Blutvergießen sorgt und dieser Krieg so weitgehende Kriegsverbrechen produziert, dass der Internationale Strafgerichtshof von Den Haag neben dem Hamas-Chef auch nach Netanjahu als Kriegsverbrecher fahnden lässt. Mit ihrer persönlichen Antisemitismusdefinition könnten Illouz und alle, die ihr folgen, das Konstatieren von Gesetzesbruch und blutigen Kriegsverbrechen durch Israel in den Bereich des antisemitischen Wahns rücken. Ärgerlich ist Illouz Intervention, wenn sie den Hinweis, viele jüdische Studierende seien in die Proteste gegen den Gazakrieg involviert, als »alte, von den Sowjets gepflegte Trope« abwehrt und damit robusten Antikommunismus anstelle eines Arguments vorbringt.

Wirklich verheerend ist dann aber der Satz, mit dem sie jüdisches Leben mit Israel und dem Zionismus ineinssetzt: »Wenn Zionismus zum Synonym für das radikal Böse gemacht wird, dann deshalb, weil wir kognitiv und emotional nicht zwischen Israelis und Juden, zwischen israelischen Verbrechen (die in der traurigen Geschichte der Menschheit alltäglich sind) und dem tiefen kulturellen Gefühl, dass Juden für die Welt gefährlich sind, unterscheiden können.« An dem Satz stimmt nichts. Aber politisch passt er zur Herabsetzung der jungen jüdischen Radikalen in der Campusbewegung, die genau diesen falschen und identifizierenden Nexus von Jüdischsein auf der einen und Israel und dem Zionismus auf der anderen Seite, den Illouz bekräftigt, zertrennen wollen.

Eva Illouz sagt »für uns Juden, für uns Israelis« sind der 7. Oktober und die als »zutiefst antisemitisch interpretierten« Uniproteste gegen den Krieg eine Katastrophe. Netanjahu und die seit Jahrzehnten friedensverhindernde Siedlungspolitik nennt sie nicht explizit. Für »Spaltung, Misstrauen und Feindschaft« zwischen Palästinensern und jüdischen Israelis macht sie ausgerechnet die Proteste verantwortlich, in denen jüdische und arabische mit anderen empörten Studierenden zusammenkommen. Illouz Text ist damit eine intellektuelle Kapitulationserklärung des liberalen Zionismus, auch wenn die Angst und Furcht, die Illouz als Jüdin artikuliert, volles Verständnis finden sollte. Doch der Verursacher dieser berechtigten Angst um die Sicherheit jüdischen Lebens sitzt weniger in den globalen studentischen Protestcamps, sondern dominiert die Knesset und befindet sich auf einem rassistisch unterlegten Kriegskurs, der neue Feindschaften hervorbringen wird und eine irgendwie geartete Lösung des Palästinaproblems, die den Interessen beider im historischen Raum Palästina lebenden Bevölkerungsgruppen Rechnung trägt, systematisch sabotiert.